Das FARGO-Experiment ist etwa doppelt so groß wie ein Handteller.

Studentisches Experiment der Universität Stuttgart auf der ISS angekommen

17. März 2023, Nr. 11

Studierende testen neue Raumfahrt-Technologien unter Weltraumbedingungen
[Bild: Leon Habermalz, Philipp Kimmerle / KSat e.V.]

Am Mittwoch, 15. März 2023, ist um 02.30 Uhr deutscher Zeit eine Rakete von Cape Canaveral aus zur Internationalen Raumstation gestartet, die ein Ferrofluid-Experiment der studentischen Kleinsatellitengruppe (KSat) der Universität Stuttgart an Bord dabei hat. Inzwischen ist das Experiment auf der ISS angekommen. Im Weltraum wird es nun rund vier Wochen lang erprobt. Ziel des Experiments ist es, mechanische Teile wie zum Beispiel Schalter in der Raumfahrt durch weniger verschleißanfällige und zuverlässigere Technologien zu ersetzen.

10 x 10 x 20 Zentimeter groß ist die Box, in der sich das studentische Experiment FARGO befindet. Vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida ist es mit einer Falcon 9-Trägerrakete zur ISS gestartet. Dort befindet es sich nun im Experimentierschrank, wo es rund vier Wochen bleiben und autonom laufen wird. Anschließend fliegt es wieder zurück zur Erde und wird an das studentische Team der Universität Stuttgart übergeben. 

Das Experiment FARGO der studentischen Kleinsatellitengruppe (KSat) der Universität Stuttgart.

Bahar Karahan studiert Luft- und Raumfahrttechnik im Bachelor an der Universität Stuttgart. Im Projekt ist sie unter anderem für die Integration und Tests des thermalen Schalters verantwortlich. „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, schon als Studentin an einem Raumfahrtprojekt zu arbeiten, welches hoffentlich in Zukunft den Grundstein für eine nachhaltigere Raumfahrt legt. Das Forschungsgebiet von Ferrofluiden in der Raumfahrt ist noch nicht verbreitet, deswegen liegt es an uns, das Ganze in Fahrt zu bringen.“

Mit dem Experiment wollen die Studierenden neue Technologien für die Raumfahrt erproben, die langlebiger, zuverlässiger und damit auch kostengünstiger sind als bisher. „Astronautinnen und Astronauten verbringen derzeit bis zu zwei Stunden am Tag mit Wartungsarbeiten an Bord der Raumfahrzeuge. Manchmal sind zusätzliche Versorgungsflüge nötig, um defekte Instrumente auszutauschen. Das ist zeit- und kostenintensiv. Um künftige Missionen zum Beispiel zum Mars zu realisieren, müssen Raumfahrzeuge möglichst wartungsfrei funktionieren“, sagt Manfred Ehresmann vom IRS, Ideengeber und Betreuer des studentischen Projekts.

Wie verhalten sich Ferrofluide in der Schwerelosigkeit?

FARGO steht für Ferrofluid Application Research Goes Orbital und dabei untersuchen die Studierenden, wie sich drei Anwendungen von Ferrofluiden in der Schwerelosigkeit verhalten. Getestet werden ein thermischer Schalter, der die Übertragung von Wärme zwischen zwei Bauteilen regelt, ein elektrischer Schalter, welcher einen Stromkreis schließen und öffnen soll, sowie ein neuartiges System zur Lageregelung von Kleinsatelliten. Alle Experimente beruhen dabei auf einer Ferrofluid-Technologie, bei der das Ferrofluid mittels externer Magnetfelder so manipuliert werden kann, dass es einen Strom- oder Wärmekreislauf schließen kann oder, im Falle des Lageregelungskonzepts, ein Drehmoment erzeugt. Ferrofluide sind Flüssigkeiten, in denen magnetische Partikel vorhanden sind, die auf externe Magnetfelder reagieren. Allen drei Anwendungen ist gemeinsam, dass sie auf mechanische Teile möglichst verzichten und somit die Gefahr eines Ausfalls aufgrund von Verschleiß deutlich reduzieren.

Ein charakteristischer Effekt von Ferrofluiden: der Rosensweigeffekt. Dabei sorgen starke Magnetfelder für die Ausbildung von flüssigen Stacheln, welche Magnetfeldlinien folgen.

Das Experiment basiert auf den Ergebnissen des vorherigen Experiments PAPELL (Pump Application using Pulsed Electromagnets for Liquid reLocation), das bereits 2018 auf der ISS erfolgreich durchgeführt wurde. Dabei wurde eine von der studentischen Kleinsatellitengruppe Ferrofluid basierte Pumpe in der Schwerelosigkeit getestet.

Nur rund ein Jahr hatten die Studierenden Zeit, um ihr Experiment zu entwickeln. „Für Raumfahrtprojekte ist das äußerst schnell“, erklärt Ehresmann. Der Zeitfaktor war mit eine der größten Herausforderungen, bestätigt auch Studentin Karahan: „Die größte Herausforderung war es, Projekt, Studium, Arbeit und Freizeit unter einen Hut zu bekommen. Da könne es schon passieren, dass eine Vorlesung wiederholt oder eine Prüfung geschoben werden muss. „Es lohnt sich aber auf jeden Fall mitzumachen, auch trotz hohen Zeitaufwands.“

Teambild der Studierenden, die FARGO entwickelt haben
Ein Jahr lang haben die Studierenden der Universität Stuttgart an dem Experiment gearbeitet.

Experiment enthält Stuttgarter Gin

Die 23 Studierende der Kleinsatellitengruppe KSat haben teilweise sieben Tage die Woche an dem Experiment gearbeitet. „Viele von uns studieren Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart, aber wir haben auch Studentinnen und Studenten aus der Chemie, der Physik, der Elektrotechnik, der Informatik oder dem Maschinenbau im Team“, sagt Saskia Sütterlin, die studentische Projektleiterin. Im Projekt werde die studiengangsübergreifende Zusammenarbeit gelebt und sei essentiell. „Unsere Chemie-Expertin hatte die gute Idee, statt Isopropanol Ethanol im Experiment zu verwenden. Der Alkohol verdunstet langsamer und stabilisiert das Gemisch. Das erhöht die Anwendungssicherheit für das Experiment“, erklärt Ehresmann. Das ist auch der Grund, weshalb nun Alkohol ins Weltall fliegt und zwar ungefähr sieben Milliliter in Form eines Stuttgart Gins.

Tausend Namen fliegen mit ins All

15 Teammitglieder werden am 15. März live vor Ort dabei sein, wenn die Rakete mit dem Experiment an Bord startet. Ins All begleitet wird das Experiment von rund tausend Namen, die im Rahmen der Aktion „Fly Your Name“ eingereicht worden sind. Unter anderem fliegen auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Wissenschaftsministern Petra Olschowski und der Rektor der Universität Stuttgart, Prof. Wolfram Ressel, in Form ihres Namens mit. Ein symbolisches Ticket haben ihnen die Studierenden während ihres Besuchs Mitte Februar an der Universität Stuttgart überreicht. 

Dass ihr Experiment zur ISS fliegen darf, verdanken die Studierenden ihrem Gewinn im Rahmen des Überflieger-2-Wettbewerbs der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Luxembourg Space Agency (LSA). Dort setzten sie sich Ende 2021 mit drei weiteren Teams gegen insgesamt acht deutsche und zwei luxemburgische Teams durch.

Live-Übertragung:
Der Start der Mission CRS 27 wird live auf dem Youtube-Kanal der NASA übertragen.

Fachlicher Kontakt:

Manfred Ehresmann, Institut für Raumfahrtsysteme, Universität Stuttgart, E-Mail, Telefon: +49 711 685 69599

Medienkontakt

 

Hochschul­kommunikation

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

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