SSDW Logo

Ergebnisse des Space Station Design Workshops 2019

1. Oktober 2019 / Matthias Langer

Konzeptentwürfe für eine bemannte Station in der Venusatmosphäre

Vom 21. bis 27. Juli 2019 folgten 40 Studierende und Berufsanfänger/-innen der Einladung des Instituts für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart zum Space Station Design Workshop (SSDW) 2019. Zwei interdisziplinäre Teams aus 20 internationalen Teilnehmern/-innen, welche von Experten aus der Industrie und verschiedenen Universitäten unterstützt wurden, stellten sich der Aufgabe, innerhalb einer Woche einen Entwurf für eine permanent bemannte Station in der Venusatmosphäre zu konzipieren. Die primären Ziele der Station waren die Bereitstellung einer Infrastruktur für die Crew und die Durchführung wissenschaftlicher Experimente zum besseren Verständnis der Venusoberfläche bzw. ihrer Atmosphäre. Des Weiteren sollten in situ Ressourcen der Atmosphäre verwendet werden, um teure Transporte von der Erde so weit wie möglich zu verringern.

Die Ergebnisse des Workshops werden unter anderem im Rahmen des Symposiums „Putting Astronauts in Impossible Locations“ der British Interplanetary Society in London am 27. November vorgestellt.

Team Blue entwarf die “Trident” Mission, eine an einem länglichen Gerüst befestigte Station für vier Astronauten in 56 km Höhe, die mit Hilfe von Ballons zum Schweben gebracht wird. In dieser Höhe herrschen erdähnliche Umgebungsbedingungen von ca. 20 °C und 0.5 bar. Dies ermöglicht es den Astronauten, Weltraumspaziergänge durchzuführen, bei welchen ihr Raumanzug „lediglich“ die giftige Venusatmosphäre abhalten muss. Die konstant hohen Windgeschwindigkeiten sorgen dafür, dass ein Großteil der Venusoberfläche innerhalb der Missionsdauer überflogen werden kann. Um die benötigte Infrastruktur bereitzustellen, wurde vor allem auf die amerikanische Trägersysteme der NASA und Space X gesetzt. Zwischen 2023 und 2034 sollen sieben Startfenster zum Aufbau der Infrastruktur genutzt werden, damit die erste Crew, bestehend aus zwei Astronautinnen und zwei Astronauten, im Dezember 2035 zur Venus aufbrechen kann. Noch im Erdorbit wird die bemannte Kapsel mit einer Transferstufe und einem 0-G Habitat vereint. Während die Transferstufe für Bahnmanöver genutzt wird, dient das 0-G Habitat als Wohnmodul für die Astronauten. An der Venus angekommen, tritt die Kapsel zusammen mit der Crew in die Venusatmosphäre ein. Wenn sich die Geschwindigkeit reduziert hat, wird ein Ballon aufgeblasen. Dieser sorgt nun für den nötigen Auftrieb, um in der Atmosphäre schweben zu können und an eine bereits wartende Station, bestehend aus einem Wissenschaftsmodul, einem 1-G Habitat und einer Aufstiegsstufe, andocken zu können. Am Ende des Aufenthalts lässt sich die Kapsel von der Aufstiegsstufe zurück zum 0-G Habitat bringen, welches mit einer frisch aufgetankten Transferstufe die Heimreise zurück zur Erde antritt. Die Kosten für die gesamte Mission inklusive des ersten bemannten Zyklus mit einer Dauer von ca. neun Monaten werden auf ca. 30 Milliarden Euro geschätzt. Die Mission ist nicht auf einen einzigen bemannten Zyklus limitiert, sondern kann beliebig oft wiederholt werden. Diese Nachfolgemissionen würden weniger Starts erfordern und somit die Kosten pro Zyklus senken, da viele wichtige Komponenten von früheren Missionen wiederverwertet werden können.

Team Red entwarf während der Woche die “Fortuna” Mission mit einer Station in 70 km Höhe. Auf dieser Höhe kann man mit einem Druck von 0,04 bar und einer Temperatur von -43 °C und extrem hohen Windgeschwindigkeiten von bis zu 400 km/h nicht mehr von erdähnlichen Umgebungsbedingungen sprechen. Da diese Winde allerdings sehr gleichmäßig wehen, absolviert die Station ca. alle vier Tage einen Venusumlauf und ist somit sehr mobil einsetzbar. Neben dieser bemannten Station sollen auch unbemannte Systeme intensiv genutzt werden, um z.B. mit Hilfe von Ballons Proben von der Venusoberfläche aufzuheben und zur genaueren Untersuchung zur Station zurückzubringen. Auch Team Red setzt auf amerikanische Raketen. Zwischen 2029 und 2034 werden fünf Startfenster genutzt, um die benötigte Infrastruktur aufzubauen. Nachdem ein „Erde-Venus Transferfahrzeug“ die Crew aus drei Astronauten im Erdorbit aufgenommen hat, beginnt diese die Reise zur Venus. Nach einem 15-monatigen Aufenthalt im Wohn- und Wissenschaftsmodul beginnt die Heimreise der Crew mit der, aus vor Ort produziertem Treibstoff gefüllten, Aufstiegseinheit. Während sich diese erste Crew auf dem Rückweg zur Erde befindet, wird bereits eine zweite Crew in Richtung Venus geschickt. Nachdem eine dritte Crew die Station in der Venusatmosphäre verlassen hat, soll diese Plattform abgesenkt werden. Dies beschleunigt den Zerfall der Station und insbesondere deren Ballons, die die Station schweben lassen, sodass diese zeitnah auf der Venus aufschlägt.

 

Die Ergebnisse des SSDW werden zur weiteren Untersuchung an Sponsoren und Unterstützer weitergeleitet. Die Konzeptentwürfe der Studierenden und Berufsanfänger/-innen, unvoreingenommen von vielen Jahren Berufserfahrung, sind bei internationalen Firmen und Raumfahrtagenturen sehr renommiert. Nicht selten entstehen Folgestudien und Projekte auf der Basis der Arbeit der SSDW Teilnehmer/-innen.

Der SSDW wird jährlich am Institut für Raumfahrtsysteme ausgerichtet, die Bewerbungsphase läuft typischerweise vom 01. März bis zum 30. April. Für Fragen zum Bewerbungsprozess, Möglichkeiten der Unterstützung oder anderen Anliegen kann das Organisationsteam gerne per Email kontaktiert werden (ssdw@irs.uni-stuttgart.de).

Team Red
Team Red
Um komplexe Zusammenhänge besser diskutieren zu können werden diese oft an den Whiteboards aufgemalt.
Um komplexe Zusammenhänge besser diskutieren zu können werden diese oft an den Whiteboards aufgemalt.
Team Blue
Team Blue
Station Team Blue
Künstlerische Darstellung der Station von Team Blue in der Venusatmosphäre. Neben den Ballons ist das längliche Gerüst zu erkennen, an dem die Kapsel, das 0-G Habitat, das Wissenschaftsmodul sowie die Aufstiegstufe hängen.
Station Team Red
Konzeptentwurf der fertig zusammengesetzten Station in der Venusatmosphäre von Team Red. Bei dem mittleren Modul handelt es sich um das Wissenschafts- und Wohnmodul welches in der folgenden Darstellung genauer beschrieben wird. Die Solarzellen geben den Ballons das auffällig blaue Erscheinungsbild.
Station Team Red Innenansicht
Die Innenansicht zeigt das obere der beiden Stockwerke des Wohn- und Wissenschaftsmoduls
SSDW Förderer 2019
SSDW Förderer 2019
Dieses Bild zeigt Markus Graß

Markus Graß

M.Sc.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Zum Seitenanfang