European Research Council (ERC)
Der Europäische Forschungsrat vergibt diverse Zuschüsse für bahnbrechende und visionäre Forschung und richtet sich damit an Forschende in den verschiedensten Karrierestufen. Die sogenannten ERC-Grants gelten als Aushängeschild für die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Hochschulen. Das Projekt MEDUSA hat nun einen solchen Zuschuss gewonnen.
Das Projekt MEDUSA
Nicht-Gleichgewichtseffekte bei Gasen und Plasmen treten immer dann auf, wenn es zu großen lokalen Unterschieden der Umgebungsbedingungen kommt, zum Beispiel bei großen Temperaturunterschieden. Bei der Umströmung eines Autos oder eines Flugzeugs kann man solche Effekte vernachlässigen. Werden die Unterschiede jedoch extrem, kommt es zu Effekten, die nicht oder nur mit sehr großem Aufwand zu beschreiben sind. Dies ist zum Beispiel unter den Bedingungen „sehr heiß“ und „sehr schnell“ der Fall, wie beim Wiedereintritt einer Raumkapsel in die Erdatmosphäre oder auch bei sehr kleinen räumlichen Abmessungen wie in der Micro- und Nanofabrikation von Computerchips. Unter diesen Extrembedingungen spielen sehr viele unterschiedliche Komponenten und Parameter zusammen, sodass die Simulationen komplex und nur auf Höchstleistungsrechnern zu bewältigen sind. Dies braucht Zeit und ist teuer, weshalb Nicht-Gleichgewichtseffekte gerade im industriellen Bereich ein Problem darstellen.
Das Ziel des geförderten Projekts MEDUSA ist vor diesem Hintergrund die Entwicklung von stochastischen, partikelbasierten Multiskalenmethoden zur Simulation von Gasen und Plasmen im thermochemischen Nichtgleichgewicht. Dabei sollen die Betrachtung des Gases von der mikroskopischen auf die mesoskopische Ebene gehoben werden, einen mittleren Sichtbarkeitsbereich, der sich zwischen dem Mikro- und dem Makrokosmos befindet. „Unser Ziel ist es, die Präzision der mikroskopischen mit der Geschwindigkeit der makroskopischen Betrachtung zu erreichen“, erklärt Pfeiffer. Hierbei handelt es sich um ein fachübergreifendes Projekt, in dem Physik, Mathematik, Chemie und Computational Science verknüpft werden müssen. Grundlage des Projekts ist der zu erweiternde open-source Partikelcode „PICLas“, der in einer langen Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Raumfahrtsysteme und dem Institut für Aerodynamik und Gasdynamik (IAG) der Universität Stuttgart mit Unterstützung des Hochleistungsrechenzentrum Stuttgart (HLRS) entstanden ist. Mittlerweile wird “PICLas“ schon von diversen industriellen Partnern genutzt und ist die Grundlage von „boltzplatz“, einer erfolgreichen Ausgründung der Universität Stuttgart.
Über Marcel Pfeiffer:
Dr. Marcel Pfeiffer studierte Physik in Jena. Im Rahmen seiner Dissertation beschäftigte er sich mit Nicht-Gleichgewichtseffekten von Gasen und Plasmen innerhalb des Themenkomplex Raumfahrt. Seit 2016 ist er PostDoc an der Universität Stuttgart und Entwicklungsleiter des open-source Codes „PICLas“.
Zum Artikel "Europäischer Triple-Erfolg für Universität Stuttgart" der Hochschulkommunikation