Stochastische Partikelmethoden

Institut für Raumfahrtsysteme

Stochastiche Partikelverfahren sind der Schwerpunkt der Numerikgruppe am IRS. Sie bieten vor allem bei Höherdimensionalen Problemen wie der Lösung der Boltzmanngleichung oft Vorteile.

Für verschiedene Anwendungen wie den Eintritt von Raumfahrzeugen in die Atmosphäre und elektrische Antriebssysteme sind numerische Simulationen für ein breites Spektrum von Strömungsregimen erforderlich. So erfordert beispielsweise die genaue Auslegung von Hitzeschutzsystemen eine korrekte Schätzung der Strömungseigenschaften wie des Wärmestroms, dem ein Fahrzeug während des Wiedereintritts standhalten muss. Die bekannte Direct Simulation Monte Carlo-Methode (DSMC) wird seit vielen Jahren für solche numerischen Simulationen verwendet. Während die ungestörte Strömung bei atmosphärischen Eintrittsmanövern durchaus im Kontinuumsbereich liegen kann, können im Nachlauf des Raumfahrzeugs Nichtgleichgewichtseffekte auftreten. Da der Rechenaufwand für die DSMC-Methode in den Übergangs- und Kontinuumsregimen stark ansteigt, sind partikelbasierte Kontinuumsmethoden eine vielversprechende Lösung für die Simulation von Mehrskalenproblemen in verschiedenen Strömungsregimen. In letzter Zeit wurden viele Methoden entwickelt, wie beispielsweise die Bhatnagar-Gross-Krook (BGK)-Modelle oder der Fokker-Planck (FP)-Ansatz (siehe MEDUSA).

Die Grundlage für die Beschreibung der Gasströmung auf mikroskopischer Ebene ist in diesen Anwendungen die Boltzmann-Gleichung:

Diese Gleichung enthält vier Terme, die sich auf verschiedene Aspekte der Gasströmung beziehen. Der Term (I) ganz links beschreibt die Veränderungen der Teilchenposition und -geschwindigkeit im Laufe der Zeit, Term (II), der Diffusionsterm, repräsentiert Veränderungen der Strömung aufgrund der Teilchenbewegung selbst. Externe Kräfte, wie sie durch Term (III) beschrieben werden, sind typischerweise elektromagnetische Kräfte im Fall von Plasmen und können  durch eine Kopplung mit dem Particle-In-Cell (PIC) Modul von PICLas eingeführt werden.  Der letzte Term (IV) auf der rechten Seite, auch Kollisionsintegral genannt, berücksichtigt die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen.

Da eine analytische Lösung der Boltzmann-Gleichung nicht möglich ist und mehrere Annahmen erfordert, werden numerische Methoden verwendet. Partikelmethoden wie die DSMC-Methode, aber auch die Bhatnagar-Gross-Krook (BGK) oder die Fokker-Planck-Methoden (FP) werden häufig zur Approximation des Boltzmann-Kollisionsintegrals bei der Simulation von verdünnten und Nicht-Gleichgewichtsgasströmungen verwendet. In PICLas sind Module für alle drei Methoden verfügbar, wobei zusätzlich eine einfache Kopplung der BGK- oder FP-Methode mit der DSMC-Methode möglich ist. Dabei können unterschiedliche Kopplungskriterien zwischen den Methoden verwendet werden.

Bei einer solchen Partikelsimulation wird die physikalische Gasströmung durch die Bewegung und den Zusammenstoß der Simulationsteilchen dargestellt. Alle drei Methoden sind stochastischer Natur und beschreiben die Gasverteilungsfunktion als eine Linearkombination von Deltafunktionen. Um die Rechenzeit zu verringern, stellt ein Simulationspartikel in der Regel eine größere Anzahl realer Gasteilchen dar.

Die Teilchenbewegung und die Wechselwirkungen aufgrund von Teilchenkollisionen werden nacheinander behandelt, wobei der Bewegungsschritt den Newtonschen Gesetzen folgt. Die Behandlung von Partikelkollisionen ist bei den drei genannten Methoden unterschiedlich. In einer DSMC-Simulation werden zunächst die Kollisionspaare für die nachfolgende Wechselwirkung bestimmt. Für jedes Teilchenpaar wird die Kollisionswahrscheinlichkeit berechnet und mit einer Zufallszahl verglichen, um zu entscheiden, ob eine Wechselwirkung stattfindet. Kommt es zu einer Kollision, kann interne Energie ausgetauscht werden oder es können chemische Reaktionen zwischen den beiden Teilchen stattfinden. Die Modellierung dieser Prozesse in PICLas basiert auf phänomenologischen Reaktionsraten.

Zeitschritt-Schema für die BGK-, FP- und DSMC-Methoden in PICLas.

Nach dem Kollisionsschritt und der Neuberechnung der Partikeleigenschaften werden die makroskopischen Strömungsparameter durch Sampling und Mittelwertbildung über die mikroskopischen Gaseigenschaften innerhalb einer Simulationszelle bestimmt. Für das Simulationsgebiet können verschiedene Randbedingungen definiert werden, um einen Gaszufluss und -abfluss sowie den Streuprozess und katalytische Reaktionen auf einer Festkörperoberfläche zu simulieren.

Aufgrund der stochastischen Natur der Partikelmethoden ist eine bestimmte Anzahl von Simulationspartikeln erforderlich, um Rauschen zu minimieren. Um physikalisch sinnvolle Ergebnisse zu gewährleisten, müssen zusätzlich bestimmte Qualitätsfaktoren wie die mittlere freie Weglänge des Gases oder die Kollisionsfrequenz durch die Simulationsparameter aufgelöst werden. Dies ist der Grund für die ansteigende Rechenzeit in Übergangs- oder Kontinuumsregimen. Hier sind BGK- und FP-Methoden aufgrund der geringeren Auflösungsbeschränkungen weniger rechenaufwändig.

Bei der BGK-Methode relaxieren die Teilchen in Richtung einer Zielverteilungsfunktion, anstatt Kollisionen wie bei der DSMC-Methode durchzuführen, um den Boltzmann-Kollisionsterm zu approximieren.

BGK Approximation.
FP Approximation.

In PICLas werden die Teilchen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit aus einer Zielverteilungsfunktion gesampelt, die von den Transportkoeffizienten des Gases, der Teilchendichte, der Temperatur und dem Zeitschritt abhängt. Es gibt verschiedene BGK-Modelle mit unterschiedlichen Zielverteilungsfunktionen, z.B. die Ellipsoidal Statistical BGK (ESBGK) oder Shakhov BGK (SBGK).

Der FP-Ansatz vereinfacht den Boltzmann-Kollisionsterm zu einer Fokker-Planck-Gleichung, die von einem Drift- (I) und einem Diffusionsterm (II) abhängt. Anders als bei der BGK-Methode wird die Geschwindigkeit jedes Teilchens in der Simulation mit einer stochastischen Differentialgleichung relaxiert, um die entsprechende Fokker-Planck-Gleichung zu lösen.

Kontakt

Simone Lauterbach

 

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Dieses Bild zeigt Franziska Hild

Franziska Hild

M.Sc.

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Zum Seitenanfang