Satelliten in niedrigeren Umlaufbahnen

24. November 2023, Nr. 64

Neuer SFB ATLAS erforscht Technologien für Raumfahrtmissionen in sehr geringer Höhe.
[Bild: SFB ATLAS]

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gibt grünes Licht für den neuen Sonderforschungsbereich „Advancing Technologies of Very Low Altitude Satellites“ (SFB 1667 ATLAS). Unter Federführung der Universität Stuttgart wollen die Wissenschaftler*innen die technologischen Grundlagen für eine nachhaltige Nutzung des Bereichs der sehr niedrigen Erdorbits (VLEO – Very Low Earth Orbit Regime) erarbeiten. Dieser Bereich bietet große Potenziale, um wissenschaftliche und kommerzielle Satellitenmissionen zu verbessern und zukunftsfähig zu gestalten.

„Der neue Sonderforschungsbereich ATLAS leistet einen grundlegenden, wegweisenden und unverzichtbaren Beitrag für die Zukunft der Weltraumnutzung und Pionierarbeit für die nachhaltige Satellitennutzung“, erklärt Professor Wolfram Ressel, Rektor der Universität Stuttgart. „Sein interdisziplinäres Team vereint exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die gemeinsam daran arbeiten, den Stuttgarter Weg umzusetzen und intelligente Systeme für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu entwickeln.“

VLEO für Satellitendienste nutzbar machen

Die Forschenden der Universität Stuttgart und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wollen die Lebensdauer von Satelliten in diesem Bereich von heute rund sechs Monaten auf mehrere Jahre erhöhen, ohne dass große Mengen an Treibstoff von der Erde mitgeführt oder nachgeliefert werden müssen. Eingesetzt werden sollen die kleinen, wirtschaftlichen und nachhaltigen Satelliten der Zukunft in einer Höhe von circa 200 bis 450 Kilometern über der Erdoberfläche in einem bislang für sie nicht nutzbaren Bereich, dem VLEO. „Wir wollen die hierfür notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen erarbeiten, um diese Potenziale zu erschließen, und so unverzichtbare Satellitendienste zukunftsfähig machen, die unter anderem für die Erdbeobachtung, die Kommunikation und insbesondere für die Klimaforschung eine herausragende Bedeutung haben“, sagt Professor Stefanos Fasoulas, Sprecher des SFBs ATLAS und geschäftsführender Direktor des Instituts für Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart.

Fiktive Darstellung eines VLEO-Satelliten: Sie illustriert einige der im Rahmen des SFBs ATLAS erarbeiteten Komponenten und Subsysteme.

Bereich mit vielen Potenzialen

Im VLEO können Erdbeobachtungsmissionen mit höherer Auflösung erfolgen und Kommunikationsanwendungen mit geringeren Zeitverzögerungen arbeiten. Dort eingesetzte Satellitensysteme könnten kleiner und leichter konstruiert werden und, bedingt durch die Nähe zur Erde, mit geringeren Kosten in eine Umlaufbahn gebracht werden. Der VLEO ist zudem ein Bereich, der neue Forschungsmissionen ermöglicht, die auch den Schwerpunkt der im SFB ATLAS untersuchten Anwendungsszenarien darstellen. Außerdem bleiben Satelliten in diesem Bereich nach ihrer Lebenszeit nicht als Weltraumschrott zurück, da diese so stark abgebremst werden, dass sie schnell an Höhe verlieren und schlussendlich in die niedrigeren Schichten der Atmosphäre eintreten, wo sie zeitnah verglühen.

Satellitenbetrieb wirtschaftlich gestalten

Diese starke Abbremsung der Satelliten stellt für die Wissenschaftler*innen jedoch auch die größte Herausforderung dar, um einen dauerhaften und somit ökonomisch sinnvollen Satellitenbetrieb in diesem Bereich zu ermöglichen. Aufgrund von komplexen Wechselwirkungen zwischen der Solarstrahlung, dem Erdmagnetfeld und der obersten Atmosphärenschicht, in welcher die Satelliten um die Erde kreisen, verläuft der Abbremsungsprozess sehr dynamisch, ist bislang äußerst schwer vorhersagbar und kaum erforscht. Neuartige Triebwerke, die im Rahmen des SFBs erforscht werden, stellen ein mögliches Schlüsselelement dar, um dieser Abbremsung kontinuierlich entgegenzuwirken und die Satelliten dauerhaft auf ihren Bahnen zu halten.

Volatile Randbedingungen

„Wenn wir Satellitensysteme im VLEO einsetzen wollen, müssen wir diese volatilen Randbedingungen verstehen, beherrschen und dann im gesamten Missionsplan berücksichtigen“, erläutert Professor Fasoulas. Die Forschenden gehen dabei der Frage nach, wie die vorherrschende Restatmosphäre, also die verbleibenden Gaspartikel, genutzt werden können. In drei Projektbereichen wollen sie im Rahmen von ATLAS die Rahmenbedingungen für künftige wissenschaftliche Satellitenmissionen im VLEO analysieren, neue Lösungen für Komponenten und Satelliten-Subsysteme, beispielsweise neuartige Antriebssysteme oder eine effiziente Energieversorgung, entwickeln sowie die Wechselwirkungen zwischen der sehr dünnen Restatmosphäre und Oberflächen unter VLEO-Bedingungen untersuchen.

Internationalisierung und Langfristperspektive

Ziel des neuen Sonderforschungsbereichs ist es, der internationalen Raumfahrtgemeinschaft neue Methoden und Technologien zur Verfügung zu stellen, die zuverlässige Studien und die Entwicklung konkreter Missionsszenarien im VLEO ermöglichen. Dies könnte unter anderem neuen quantentechnologischen Anwendungen den Weg bahnen, die etwa unsere Echtzeit-Kommunikation sicherer oder Messinstrumente leistungsfähiger machen. „Wir wollen dafür sorgen, dass das Thema weltweit aufgegriffen wird und setzen in ATLAS eine Forschungsidee um, die langfristig tragen soll“, betont Fasoulas.

Zum SFB 1667 ATLAS

Der Sonderforschungsbereich 1667 „Advancing Technologies of Very Low Altitude Satellites“ (ATLAS) wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zunächst für vier Jahre gefördert. Die interdisziplinären Forschungen sind insgesamt auf einen Zeitraum von zwölf Jahren ausgelegt. Am SFB beteiligen sich unter Federführung der Universität Stuttgart 23 Teilprojektleitende von 13 Instituten, die zu 5 Fakultäten der Universität Stuttgart sowie dem Institut für Technische Physik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR-TP) gehören.

Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs an der Universität Stuttgart

Fachlicher Kontakt:

Professor Stefanos Fasoulas, Universität Stuttgart, Institut für Raumfahrtsysteme, Tel.: +49 711 685-62417 , E-Mail

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Dieses Bild zeigt Jutta Witte

Jutta Witte

Dr.

Wissenschaftsreferentin

 

Hochschulkommunikation

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

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