Zur Meldung der Universität Stuttgart
Seit 2014 bearbeitet die Arbeitsgruppe “Plasmawindkanäle und Elektrische Raumfahrtantriebe” die Entwicklung eines Atmosphärenatmenden Elektrischen Raumfahrtantriebs (ABEP). Mit dem Start des Horizon 2020 Projektes “DISCOVERER” (www.discoverer.space) im Jahr 2017, welches von der Universität Manchester geführt wird, erhielt diese Aktivität einen angemessenen internationalen Rahmen (DISCOVERER hat neun Teammitglieder aus Europa und den USA) und die Entwicklung des Antriebsystems konnte budgetbedingt fokussiert werden. DISCOVERER gehört zu den seltenen FET (Future Emerging Technologies) Projekten und repräsentiert gegenwärtig die größte RIA (Research and Innovation Action) der EU. Das Projekt wurde seinerzeit zusammen mit zwei anderen aus mehr als 600 Projektvorschlägen ausgewählt und untersucht Schlüsseltechnologien, die sogenannte “Very Low Earth Orbit” Satelliten ermöglichen.
Das ABEP System des IRS ermöglicht den Betrieb von Satelliten in geringer Orbithöhe (kleiner als 400 km), wo der Luftwiderstand durch die Restatmosphäre immer noch von Bedeutung ist und diesen in kurzer Zeit abbremsen würde. Demnach wäre die Mission, je nach Höhe, schon innerhalb eines Zeitraums von Tagen bis wenigen Monaten beendet, da der Satellit in die Atmosphäre eintreten und verglühen würde. Mit dem IRS ABEP System kann dies behoben werden, da der Antrieb den Luftwiderstand kompensiert und dabei mit Hilfe eines Einlasses aus der Restatmosphäre, die den Satelliten umgibt, Atmosphärenpartikel aufnimmt und diese als Triebstoff dem Antrieb zuführt. Mit dem somit behobenen Lebensdauerproblem des niedrig fliegenden Satelliten werden neuartige, nachhaltige Missionen ermöglicht, beispielsweise werden die Möglichkeiten zur Erdbeobachtung signifikant verbessert. Hinzu kommt, dass ABEP auch für Missionen an anderen Himmelskörpern, die eine Atmosphäre haben, eingesetzt werden kann. Der große Vorteil besteht darin, dass der Satellit keinen Treibstofftank mit sich führen muss, er versorgt sich aus den Gaspartikeln der Hochatmosphäre, versorgt durch photovoltaische Elektrizität.
In DISCOVERER entwickelt IRS den Massenkollektor und einen Radiofrequenz (RF) Elektrischer Antrieb, der IPT, der auf einem fortschrittlichen physikalischen Prinzip basiert, dem sogenannten Heliconprinzip. Ein elektrischer Raumfahrtantrieb verwendet elektrische Energie und führt den Treibstoff damit in den Plasmazustand über. Dieses Plasma wird beschleunigt, um Schub zu generieren. Ein RF-Antrieb nutzt hierfür eine Antenne. Normalerweise beschleunigen solche Geräte nur die Ionen des Plasmas und führen dann die fehlenden Elektronen über einen sogenannten Neutralisator zu. Dies neutralisiert die Ionen und verhindert, dass diese im Laufe der Zeit durch den sich elektrisch aufladenden Satelliten wieder zurückgezogen werden, was den Schub zunichtemachen würde.
Der IPT des IRS nutzt eine sehr fortschrittliche Antenne, deren Leistungskopplungswirkungsgrad maximal ist und die aufgrund ihrer Eigenschaften elektromagnetische Beschleunigungsmechanismen zur Verfügung stellt und sowohl die Ionen als auch die Elektronen simultan beschleunigt. Damit entfällt der Neutralisator, was nicht nur das Antriebssystem deutlich vereinfacht, sondern auch Betriebsprobleme, welche mit dem Neutralisator einhergehen, vermeidet (er kann zum Beispiel nicht mit dem Restgas der Atmosphäre betrieben werden, sondern benötigt einen eigenen “Treibstoff”). Ermöglicht wird dies durch Niederfrequenz-elektromagnetische Wellen, Heliconwellen genannt, die sowohl den Beschleunigungsmechanismus (im Zusammenhang mit den Elektromagnetischefelden der Birdcageantenna) als auch die hohen Wirkungsgrade ermöglichen.
Der IPT des IRS, siehe Fig. 1, hat die folgenden Vorteile:
- Er kann mit variablen Treibstoff-Massenströmen und -Kompositionen umgehen (die Atmosphäre ist keine einheitliche Umgebung);
- Kann mit aggressivem Treibstoff betrieben werden, z.B. atomarer Sauerstoff in VLEO → Kontaktlosigkeit des Antriebs;
- Ionen und Elektronen werden gemeinsam mit hoher Geschwindigkeit zur Schub-Generierung beschleunigt → Ein Neutralisator ist nicht erforderlich.
Der am IRS entwickelte Birdcageantenne kommt aus dem Medizintechnik-Bereich und hat seinen Ursprung in der Magnetresonanztomographie (MRT), siehe Fig. 2.
Die einzigen Unternehmen, die solche Antennen erfolgreich für die Plasmaproduktion einsetzten sind das Swiss Plasma Center (SPC) der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) und deren Spin-off Helyssen Sarl, mit denen IRS gerade eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit initiiert hat.
Die Zündung der IPT ist ein Durchbruch. Es ist nicht nur der einzige Antrieb seiner Art, sondern auch der erste Heliconwellen-basierte Antrieb mit zylindrischer Birdcageantenne weltweit. Die ersten Tests zeigten einen sehr hohen Leistungswirkungsgrad und einen Plasmajet, der in Fig. 3 gezeigt ist.
Für das diesem Antrag zugrunde liegende Projekt wurden im Rahmen der Finanzhilfevereinbarung Nr. 737183 Fördermittel aus dem Programm der Europäischen Union für Forschung und Innovation „Horizont 2020" bereitgestellt. Dieser Artikel gibt nur die Meinung des Verfassers wieder, und dass die Europäische Kommission haftet nicht für die etwaige Verwendung der darin enthaltenen Informationen.
Fachlicher Kontakt:
Priv.-Doz. Dr. Georg Herdrich, Francesco Romano, Universität Stuttgart, Institut für Raumfahrtsysteme, Tel.: +49 (0)711/685 62412, -62399
E-Mail Dr. Herdrich, E-Mail Francesco Romano